
Poker besteht zu einem beträchtlichen Anteil aus Kommunikation. Für viele Spieler ist der Austausch mit den anderen am Tisch, die Kameraderie, das Frotzeln, die soziale Interaktion ein wichtiger Bestandteil des Spiels und viele sagen, dass sie gerade deswegen viel lieber live als online spielen.
Selbst wenn in einer Liverunde lauter einsilbige Schweiger zusammensitzen, und wenn sich sämtliche Aktionen auch nonverbal durchführen ließen, so erfolgt zumindest ein wenig verbale Kommunikation durch Äußerungen wie „Call“, Raise“, „Fold“ und manchmal auch Fragen wie „Wie viel hast Du noch dahinter?“ oder „Bin ich dran?“
Die zweite Frage resultiert meist aus der Unaufmerksamkeit eines Spielers. So etwas passiert uns allen, nicht jeder ist während einer Pokerpartie ständig auf dem Zenit der Wachsamkeit.
Nicht nur mich sondern auch meinen guten Freund Steve Rudock aus Boston/USA treibt die Frage um, warum sich manche Spieler bewusst von der Kommunikation am Tisch abkoppeln, indem sie sich kleine Stöpsel ins Ohr stecken oder gewaltige Kopfhörer überstülpen und Musik oder anderen Klangerzeugnissen lauschen. Warum tun sie das? Sie nehmen sich damit selbst doch einiges an Informationen, die sich aus Äußerungen der anderen Spieler ableiten ließen.
Vielleicht, um sich ohne verbale Ablenkung voll auf Überlegungen zur aktuellen Pokersituation konzentrieren zu können? Vielleicht auch ganz bewusst, um den Trashtalk gewisser Spieler auszublenden.
Vielleicht aber auch, weil es sich um Möchtegern-Pros handelt, die gesehen haben, dass echte Pros mit Sonnenbrillen und Kopfhörern am Tisch sitzen, also tun sie es ebenso.
Wenn Spieler Kopfhörer oder Ohrstöpsel tragen, hat das einige negative Effekte:
Der Spielfluss wird gebremst. Poker lebt von zügigen Abläufen. Oft müssen Kopfhörerträger mehrfach erinnert werden (z.B. durch Anstubsen), dass sie „dran“ sind. Dann wird eine Hörmuschel oder ein Stöpsel entfernt und erst dann kommen eventuell Fragen zu vorherigen Aktionen, die wegen der akustischen Barriere nicht registriert wurden. Das verlangsamt nicht nur das Spiel, es nervt auch die anderen Spieler, besonders wenn es mehrfach passiert.
Es schafft Verwirrung, beeinflusst vielleicht sogar in dramatischer Weise den Fortgang der aktuellen Partie. Wer hat es noch nicht erlebt? Kopfhörerträger verpassen eine extrem wichtige Ansage, z.B. ein All-In, machen anschließend eine Bet, die nicht in die Situation passt und beeinflussen so in negativer Weise die Hand, es geht eine Riesendiskussion los und der Floorman muss gerufen werden.
Das Spiel verliert teilweise seine soziale Komponente. Gerade die soziale Interaktion mit anderen ist für viele ein sehr wichtiger Aspekt des Pokerspiels. Man stelle sich einen Tisch vor, an dem alle Kopfhörer, Hoodies und Sonnenbrillen tragen.
Headphones könnten zum Betrug missbraucht werden. Zugegeben, eine hypothetische These, aber es gibt reichlich technische Möglichkeiten, sich mittels Kopfhörer Informationen zu verschaffen, die anderen in einer gegebenen Situation nicht verfügbar sind.
Vielleicht ist das auch ein Grund für die Entscheidung bei der diesjährigen WSOP keine Kopfhörer mehr zuzulassen, sobald ein Turnier die Geldränge erreicht hat. In den “2014 World Series of Poker Official Tournament Rules” des Rio Hotels ist dies im Abschnitt VI unter Nr. 63 festgelegt.
Warum Kopfhörer erst mit Erreichen der Geldränge unzulässig werden, erschließt sich mir nicht, und auch auf Twitter hat sich dazu eine sehr intensive Debatte entwickelt, die im Wesentlichen um folgende Positionen kreist:
Kopfhörer sollten in Pokerrooms generell verboten oder generell erlaubt sein, unabhängig davon ob es sich um Turnierpoker oder Cashgames handelt. Das Verbot erst ab einer bestimmten Turniersituation erscheint vielen unlogisch.
Meine Meinung zum Thema lautet: Kopfhörer (und allgemein elektronische Geräte) haben am Pokertisch nichts zu suchen. Poker wird seit über 150 Jahren gespielt - und zwar ohne Kopfhörer und es war nie erforderlich, sich mittels Klang abzulenken.
Es gibt am Pokertisch so viel zu sehen und zu beobachten, hinzu kommen die Möglichkeiten, sich zu unterhalten und neue Leute kennenzulernen.
Mit zugekleisterten Ohren funktioniert das allerdings nicht.
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